Falsche Fakten und bewusste Täuschung beim Planfeststellungsbeschluss – wie kann man gerichtlich dagegen vorgehen ?

  • Am 13.09.2011 hatten wir bei unserem dienstäglichen Treffen einen wertvollen Gast : Matthias Schubert, Verwaltungsjurist, Vorsitzender der BI Kleinmachnow gegen Flugrouten e.V., Mitorganisator der Schönefeld-Demos und engagierter Redner bei den Großdemos und Menschenketten.


    Herr Schubert ließ uns, die wir doch schon durchaus das ein oder andere im Rahmen unserer Arbeit in der Bürgerinitiative erfahren haben, in seiner informativen Darstellung trotzdem weiter staunen und die Köpfe schütteln : er informierte uns über die Hintergründe und Täuschungen zum Planfeststellungsbeschluss des BER, über laufende und weiterhin mögliche gerichtliche Klagen.


    Der Planfeststellungsbeschluss, der die Grundlage für die Genehmigung zum Ausbau von BER darstellt, beruhe auf falschen Tatsachen und arglistigen Täuschungen seitens der am Verfahren beteiligten Flughafenbefürworter.


    Die ursprünglich im März 1998 von der Deutschen Flugsicherung (DFS) zur Planfeststellung mitgeteilten Flugrouten waren gerade Flugrouten, d.h weder Zeuthen, der Müggelsee, noch Potsdam oder gar Großbeeren waren betroffen, um nur einige zu nennen. Kurz darauf stellte man jedoch fest, dass ein unabhängiger Parallelbetrieb von beiden bereits vorhandenen Start- und Landebahnen, und dieser ist von den Betreibern gewünscht, aufgrund des zu geringen Abstandes der beiden Bahnen voneinander, gar nicht möglich sei. Die Flugrouten müssen voneinander um 15 Grad abweichen. Also wurde die Grobplanung der Flugrouten abgeändert. Allerdings unter dem Siegel der Verschwiegenheit ! Da man bereits den Protest der Bevölkerung kannte und eine Zunahme der gegnerischen Stimmen verhindern wollte, wurde offiziell die alte Streckengeometrie, d.h. die der geraden Flugrouten, beibehalten. Hätte man die abknickenden Routen damals schon publik gemacht, wäre nicht nur der Protest gestiegen, sondern hätten alle Lärmschutz- und Betroffenheitsgutachten, die fälschlicherweise die geraden Linien zur Grundlage haben, geändert werden müssen. Und ob dann der Flughafen genehmigt worden wäre, sei dahingestellt. Noch im Jahr 2006 hielt man offiziell an den geraden Flugrouten fest, die Grundlage der Planfeststellung wurden. Und das, obwohl man genau wusste, dass das Abknicken notwendig ist!


    Fest steht, dass aufgrund der falschen, geraden Linien ca. 80.000 Betroffene ermittelt wurden, nach zurückhaltenden Gutachten von unabhängigen Ingenieuren es aber mit den richtigen, abknickenden Flugrouten mehr als 350.000 Betroffene sind, d.h. das 4 ½ fache. Und diese Zahlen sind sehr konservativ geschätzt. Mittlerweile spricht man ja sogar von 650.000 Betroffenen. Die Realität zeigt also ganz andere Betroffenheitszahlen- und orte, als die, aufgrund derer der Ausbau von BER genehmigt wurde.


    Bürger aus Kleinmachnow haben eine Anfechtungsklage eingereicht, mit der gerichtlich festgestellt werden soll, dass dem Planfeststellungsbeschluss vorsätzlich falsche Tatsachen zu Grunde lagen. Es gibt Schriftstücke, die das beweisen können. Ein entscheidendes Schriftstück, dessen Vorhandensein bewiesen werden kann, so Matthias Schubert, wurde jedoch wohl rechtzeitig von der Flughafengesellschaft „entsorgt“ – es ist und bleibt verschwunden. Sollte das Bundesverwaltungsgericht feststellen, dass im Planfeststellungsverfahren schwerwiegende Fehler gemacht wurden (und das sollte auch ohne das entscheidende Schriftstück zu erkennen sein, so Schubert), könnte es zu einer neuen Abwägung von privaten und öffentlichen Interessen in Bezug auf BER kommen. Bei der ursprünglichen Abwägung waren die öffentlichen Interessen als bedeutender gewichtet worden – es gab ja „nur“ 80.000 Betroffene …… Sollte der deutsche Gerichtshof den Klägern nicht folgen, so wird die Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.


    Herr Schubert wies auch darauf hin, dass nicht nur die jetzigen abknickenden Flugrouten entgegen dem Planfeststellungsbeschluss sind, sondern auch das internationale Drehkreuz, das von Herrn Wowereit und vielen anderen immer wieder propagiert wird. Im Planfeststellungsbeschluss ist von einem regionalen Flughafen für Berlin und Brandenburg die Rede – und genau das wurde auch genehmigt. Es wurde kein internationales Drehkreuz genehmigt!


    Und des Weiteren stelle sich beim Betrachten der An- und Abflugrouten eine entscheidende Frage : die Routen, die beim parallelen Start von der Nord- und von der Südbahn geflogen werden, knicken nicht, wie vorgeschrieben 15 Grad voneinander ab, sondern 2 Mal 15 Grad, also 30 Grad. Warum ? Dafür kann es, so Herr Schubert, nur eine Antwort geben : die dritte Start- und Landebahn ist bereits fest in die Planung der Routen integriert! Legt man diese nämlich genau in die Mitte zwischen Nord- und Südbahn erklärt es sich, warum 2 Mal um 15 Grad abgeknickt wird. Noch im Mai diesen Jahres wurde erklärt, dass man den BER auf 2 Start- und Landebahnen verkleinert habe (entgegen der 1994 geplanten 4 Bahnen!) und das Drehkreuzprojekt fallen gelassen wurde. Eine weitere Täuschung der Öffentlichkeit ! Die Anzahl der genehmigten Flüge (390.000 im Jahr) kann nur mit drei Start- und Landebahnen abgewickelt werden. Sehen wir es mal so : Von der dritten Start- und Landebahn haben wir ja dann endlich die geraden Flugrouten, die von Anfang an veröffentlicht wurden – allerdings massiv erweitert um die jeweils nach Norden und Süden abknickenden Flüge…. Und die Anzahl der Betroffenen wird weiter steigen ……


    Am 20. und 21. September wird vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über das erweiterte Nachtflugverbot verhandelt. Die Klage hatte der BVBB (Bürgerverein Berlin-Brandenburg e.V.) eingereicht. Das Urteil wird in ca. 4-8 Wochen erwartet.


    Die Bürgerinitiative Schallschutz Rangsdorf e.V. (BISS) hat im September 2011 in Zusammenarbeit mit den beiden größten anerkannten Brandenburger Naturschutzverbänden eine Beschwerde bei der Europäischen Union eingereicht. Hierbei geht es um die verheerenden Folgen für das Rangsdorfer Vogelschutzgebiet aufgrund der abknickenden Flugrouten. Ziel ist es, „eine nach EU-Recht zwingend vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung sowie eine erneute Risiko-Analyse zum Vogelschlag anzustoßen“. Nicht, dass man bei der Genehmigung zum Ausbau des BER das Vogelschutzgebiet außer Acht gelassen hat, aber auch hier waren ja falsche, gerade Fluglinien vorgegaukelt worden, die als „verträglich“ bewertet wurden. Die tatsächlichen, abknickenden Flugrouten erfordern nun diese weiteren Prüfungen.


    Wenn Anfang nächsten Jahres die Flugrouten bindend festgeschrieben werden, kann auch Großbeeren dagegen klagen. Wir werden dies eingehend prüfen lassen. Auf jeden Fall werden wir es nicht weiter hinnehmen, dass man uns für dumm verkauft.


    Ute Szenkler