Alptraum BVG- Odyssee auf einer S-Bahnfahrt

  • Diese Geschichte ist all denen gewidmet, die sich tagtäglich der Tortur einer S-Bahnfahrt unterziehen müssen oder nach langer Zeit mal wieder mit den öffentlichen in die Stadt fahren:


    Es beginnt an einem x-beliebigen Tag, morgens um halb sieben. Ich betrete den S-Bahnhof Buckower Chaussee und will meinen Fahrschein lösen. Fahrscheinverkäufer gibt es schon lange nicht mehr, also rann an den Automaten. Ein "Bitte passend zahlen" leuchtet mir entgegen, aber wer hat schon immer das nötige Kleingeld dabei?
    Der nächste Automat: der gleiche Spruch. Auf dem Gleis neben mir höre ich meinen Zug einfahren. Nein, Schwarzfahren ist nicht mein Stil, also hetze ich, schon leicht genervt, auf die andere Seite, und man glaubt es kaum, der. Automat kann wechseln! Genug Geld müsste drin sein, denn auch mein 2,-Euro-Stück bleibt stecken!


    Inzwischen ist es zehn vor sieben und meine Zeit wird langsam knapp. Also renne ich zum Zugabfertiger, endlich einen Fahrschein zu lösen. Doch der muß erstemal einen Zug abfertigen, den dritten in meine Richtung. Als der endlich weg ist, kramt er widerwillig nach dem Schlüssel für seine Kasse: „Benutzen Sie doch den Automaten,“ mault er. Danke, soweit war ich auch schon.
    Endlich habe ich meinen Fahrschein und der nächste Zug ist meiner. Wahnsinn, es ist sogar noch ein Sitzplatz frei. Hoffentlich macht mich der Besoffene nicht an. Nach fünf Stationen heißt es schon wieder raus und umsteigen, Nach einem kurzem Fußmarsch über öffentliche Straßen erreiche ich den U-Bahnhof: Linie 7 Richtung Rathaus Spandau. Der Abfertiger. befiehlt gerade unfreundlich „Zurückbleiben“ – da fährt er, mein Anschlußzug. Also warten auf den nächsten, ich hab ja soo viel Zeit!
    Als dieser endlich kommt fühle ich mich wie bei der Quelle zum Winterschlußverkauf: Die Leute drängeln und schubsen, jeder hat es eilig und will mit. Von Station zu Station wird der Wagen voller, die Menschen beginnen sich zu stapeln – ich bekomme kaum noch Luft. Hoffentlich hat die Oma neben mir, die mir ständig ins Gesicht hustet, nichts Ansteckendes. Die Fenster sind natürlich mal wieder geschlossen, wegen der Zugluft und so.... – man könnte ja krank werden!


    Der Geruch von Schweiß, Knoblauch und abgestandener Luft macht sich breit – eine Atmosphäre zum Wohl fühlen! Endlich ist die zweite Etappe geschafft, der Zug fährt in den Bahnhof Bismarkstraße ein und die Menschen quellen aus den Waggons. Wie Vieh werden wir über den Bahnhof geschoben – „Aua, das war mein Fuß!" – um zur Linie 1 zu gelangen, links und rechts an Pennern und Betrunkenen vorbei, die Handtasche immer fest umklammert.
    Sauber und ansprechend sieht es hier aus, ich steh auf umgekippte Mülleimer und Graffiti. Na, gleich wird ja mein Zug kommen und dann schnell weg hier, denke ich noch als die blauberockte Stimme über den Bahnhof schreit „Der Zug in Richtung Ruhleben hat ca. 10 Minuten Verspätung“.


    Aber schließlich gehen auch diese 18 Minuten vorbei und ich quetsche mich erneut in den überfüllten Wagen. Auch gut, so sieht man die häßlichen Schmierereien nicht so, und riskiert nicht, sich in ein Kaugummi zu setzen. Muß dieser Idiot hier noch Zeitung lesen und mir dabei ständig seinen Ellenbogen in die Rippen rammen? Die Tritte auf die Füße registriere ich schon gar nicht mehr.


    Am Kaiserdamm dann die unerwartete Ansage: „Bitte alle Aussteigen, der Zug endet hier.“ Wie bitte ? Ohne eine weitere Info strömt die Menschenmasse aus dem Bahnhof. Doch drausen finden sich nur Lienenbusse. Von Schienenersatzverkehr weit und breit keine Spur. Die Busfahrer reagieren auf Fragen, wo und vor allem wann der Ersatzverkehr denn starten soll, mit Achselzucken: „Hab ick keene Ahnung“. Also Ruhe bewahren, die Lienenbusse neben und dann noch zweimal umsteigen, ist ja doch ganz einfach.
    Endlich geschafft: Der Bus fährt an meinem Endbahnhof vor – „Beim Aus- und Einsteigen bitte beeilen, der Bus hat Verspätung“ – ach, da wäre ich von allein nie drauf gekommen!
    Beim Verlassen des Bahnhofs fällt mir ein Wahlplakat auf: „Freie Fahrt für freie Bürger – mit Bus, Bahn und Rad“ – und zum ersten Mal werde ich heute richtig wütend.


    Vielleicht ist diese Geschichte in einigen Punkten ein wenig übertrieben, aber wer tagtäglich mit den Öffentlichen fährt, der wird garantiert viele dieser und ähnlicher Situationen erlebt haben – Es lebe der öffentliche Personennahverkehr, in dem die Menschen immer gereizter werden, anstatt sich näher zu kommen!


    Markus Sprißler