Nachtflüge : Vertrauen in Herrn Platzeck - unmöglich !

  • Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat am 13.10.2011 ein Urteil gesprochen : ein Urteil, das von vielen Bürgern falsch verstanden und von vielen Politikern bewusst falsch ausgelegt wird. Es geht um das Nachtflugverbot. Ein solches Verbot kann von der jeweiligen Landesregierung ausgesprochen werden. Die Landesregierung ist dabei gesetzlich aufgefordert, besondere Rücksicht auf die Nachtruhe der Bevölkerung zu nehmen. Ein genaues Ermessen dieser Rücksicht liegt bei der Landesregierung. Die Brandenburger Regierung hält es für angemessen, 103 Nachtflüge von Schönefeld aus in den Zeiten von 22-0 Uhr und 5-6 Uhr zuzulassen – und damit eben kein Verbot von Flügen von 22-6 Uhr auszusprechen. So viel zum Thema Rücksicht auf die Bevölkerung. Danke, Herr Platzeck. Die Airlines fordern darüber hinaus noch weitere Flüge – und wie schnell man dem zustimmt haben wir gesehen, als kürzlich auf Betreiben der Airlines die uns betreffenden direkten Überflüge über Großbeeren von ursprünglich 48 auf 83 angehoben wurden. Eine Steigerung um mehr als 70%. Weil die Airlines dies so wünschen.


    Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat geprüft, inwieweit das Ermessen der Platzeck Regierung bzgl. dieser bislang 103 Nachtflüge „rechtsfehlerfrei“ ist. Das ist es. Dh. formal ist es zulässig – inwieweit es moralisch zulässig ist, stand nicht zur Debatte. Das heißt im Klartext, dass das Ermessen der Landesregierung durchaus anders sein könnte. Herr Platzeck könnte auch anders entscheiden : keine Nachtflüge aus Rücksicht auf die Bevölkerung. Die Gesundheit der Brandenburger als Ermessensgrundlage nehmen und nicht die Wirtschaftlichkeit des Flughafens. Eine kurze Info hierzu : Für Tegel gilt auch ein Nachtflugverbot (23-6 Uhr) – und dieser Flughafen arbeitet durchaus wirtschaftlich und erzielt Gewinne ! Ein Berufen der Politiker auf das Urteil von Leipzig um ein Nachtflugverbot auszuschließen ist also schlicht und einfach falsch. Ein Nachtflugverbot kann von der Brandenburger Landesregierung durchaus ausgesprochen werden – und hierfür müssen wir Betroffene den Druck auf die Politiker erhöhen. Zum Beispiel durch das Volksbegehren.


    Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei nächtlichem Fluglärm Herz-Kreislauferkrankungen deutlich ansteigen, bei Kindern Konzentrationsschwächen und psychische Erkrankungen auftreten und bei Frauen das Brustkrebsrisiko erhöht ist. Kürzlich ist aufgrund von Nachforschungen aus Kleinmachnow ein bislang nicht veröffentlichtes Dokument aufgetaucht, in dem Folgendes klar wird : Herr Platzeck wusste bereits 1994, dass der Standort Schönefeld ein zu großes gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung darstellt und somit gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit verstößt. Das Brandenburger Landesumweltamt teilte im Oktober 1994 dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung, dessen Leiter damals Matthias Platzeck war, eindeutig sein Veto gegen den Standort Schönefeld mit. Das Amt beruft sich auf Untersuchungen des damaligen Bundesgesundheitsamtes und anderer wissenschaftlicher Studien, die aufzeigen, dass bei nächtlichem Fluglärm das Herzinfarktrisiko um 20-30% ansteigt und bei Infarktpatienten die Mortalitätsrate ansteigt, dh. mehr Menschen sterben. Wörtlich heißt es :


    „Diese [wissenschaftlichen] Befunde sind aus unserer Sicht hochgradig Standort-relevant, denn der Antragsteller sucht nach eigener Aussage einen Flughafenstandort, an dem ein uneingeschränkter Nachtflugbetrieb abgewickelt werden kann. Unter dieser Prämisse kann aus unserer Sicht im Hinblick auf die oben skizzierten Untersuchungsergebnisse der neue Großflughafen nicht am Standort Schönefeld-Süd errichtet werden. In jedem Fall muss wegen der großen Zahl der hier von übermäßigen Fluglärmimmissionen betroffenen Menschen und des damit verbundenen Gesundheitsrisikos an der Forderung festgehalten werden, dass ein Nachtflugbetrieb am Standort Schönefeld-Süd auszuschließen ist.“ Und weiter : „Aus der Sicht des Immissionsschutzes ist wegen der großen Anzahl lärmbeeinträchtigter Menschen, die insbesondere bei Nachtflugverkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Herzinfarktrisiko ausgesetzt werden würden, der Standort Schönefeld-Süd auszuschließen, um das grundgesetzlich geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (GG Art. 2(2)) gewährleisten zu können.“


    Das wusste Herr Platzeck also bereits 1994. Und trotzdem wird in einigen wenigen Monaten der neue Flughafen in Schönefeld eröffnet. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ? Mit Platzecks bewusstem Wissen dieser Tatsache ! Es kann kein Vertrauen in diesen Politiker mehr geben. Auch nicht in Herrn Wowereit, der mit Sicherheit den gleichen Wissenstand wie sein Flughafen-Mitgesellschafter Platzeck hatte und hat. Nicht umsonst fordert der Bürgerverein Berlin-Brandenburg e.V. (BVBB) den sofortigen Rücktritt beider Politiker. Zu Recht.


    Was sagt Her Platzeck heute noch? Mit mir wird es kein Nachtflugverbot geben! Kann er uns dabei eigentlich noch in die Augen schauen ? Das Mindeste, was wir dagegen tun können, ist, unsere Unterschrift für ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr im voraussichtlich im Mai startenden Volksbegehren zu leisten. Der Gesundheit zuliebe. Wenn die Politiker ihrer Verantwortung den Bürgern gegenüber nicht gerecht werden, ja, sie sogar missbrauchen, dann müssen wir Bürger aktiv werden ! Wir werden Sie vor dem Beginn des Volksbegehrens hinreichend informieren.
    Vielen Dank.


    Ute Szenkler