Anspruch von Anwohnern des Flughafens Berlin Brandenburg auf uneingeschränkten Schallschutz am Tage 13/13

  • Das Oberverwaltungsgericht hat heute das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg im Hauptsacheverfahren verpflichtet, durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass die Vorhabenträgerin des Flughafens Berlin Brandenburg das im Planfeststellungsbeschluss für den Tagzeitraum vorgesehene Schallschutzprogramm umsetzt. Dabei hat der zuständige 11. Senat entschieden, dass die Lärmschutzauflage für den Tag so zu verstehen ist, dass rechnerisch keine Überschreitung des Maximalpegels von 55 dB(A) erlaubt ist.


    Die Kläger sind Eigentümer von Grundstücken im näheren Umfeld des neuen Flughafens Berlin Brandenburg. Sie haben einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich bzw. Einbau von Schallschutzmaßnahmen für den Tagzeitraum, die sicherstellen, dass im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern höhere A-bewertete Maximalpegel als 55 dB(A) in den sechs verkehrsreichsten Monaten rechnerisch insgesamt weniger als einmal auftreten. Der von der Vorhabenträgerin bislang angebotene Schallschutz bleibt hinter diesem allein maßgeblichen Schutzziel zurück und ist daher unzureichend. Er beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass der Maximalpegel von 55 dB(A) im Rauminnern pro Durchschnittstag der sechs verkehrsreichsten Monate weniger als 0,5 Mal überschritten werden darf. Damit hat die Vorhabenträgerin die planfestgestellten Schutzauflagen systematisch verfehlt.


    Soweit das Ministerium in Umsetzung des in einem Eilverfahren ergangenen Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2012 (vgl. dazu Pressemitteilung 13/12 vom 15. Juni 2012) bereits aufsichtsrechtlich gegenüber der Vorhabenträgerin eingeschritten ist, bleibt dies hinter den planfestgestellten Schutzzielen zurück. Die hierzu erlassenen Vollzugshinweise, die die Vorhabenträgerin akzeptiert hat, hätten zur Folge, dass in den sechs verkehrsreichsten Monaten bis zu 89 Überschreitungen des Maximalpegels von 55 dB(A) zulässig wären. Dies ist nach Auffassung des 11. Senats mit dem Planfeststellungsbeschluss nicht vereinbar.


    Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.


    Urteile vom 25. April 2013 - OVG 11 A 7.13, 14.13, 15.13 und 19.13 -.


    Pressemitteilung des Präsedenten des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Pressestelle -
    Berlin, den 25.04.2013
    Dagmar Merz
    - stellv. Pressebeauftragte -

  • Liebe Mitstreiter,


    auf Ihr Verständnis hoffend, dass ich aufgrund der sich am späten Nachmittag abzeichnenden Sensation hinsichtlich des Urteilstenors in Sachen Schallschutz im Tagschutzgebiet, von dem auch ca. 300 Haushalte im Großbeerener Ortsteil Diedersdorf betroffen sind, beim OVG in Berlin bis zur Urteilsverkündung gegen 21:15 Uhr ausgeharrt habe, übersende ich beiliegend die uns nach der Urteilsverkündung ausgereichte Pressemitteilung des Gerichts.


    Das OVG ist damit den Klageanträgen der beiden stellvertretend für die Schutzgemeinschaft klagenden Kommunen und der privaten Kläger vollumfänglich gefolgt und hat darüber hinaus die Revision beim BVerwG nicht zugelassen, da weder eine divergierende Rechtsauffassung zu anderen OVGs oder zum BVerwG vorliege, noch den verhandelten Klagen eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen sei. Der Klagegegenstand betreffe vielmehr ausschließlich die zum Flughafen BER durch Planfeststellungsbeschluss getroffene Individualregelung, die bereits Gegenstand des durch das Urteil vom 15.03.2006 abgeschlossenen Verfahrens vor dem BVerfG – und des insoweit vom Revisionsgericht bestätigten Tagschutzziels des Planfeststellungsbeschlusses – war. Die Durchführung eines Revisionsverfahrens ist somit nur dann möglich, wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde des unterlegenen Ministeriums bzw. der beigeladenen Flughafengesellschaft erfolgreich sein sollte.


    Mit den heutigen Urteilen ist nunmehr klargestellt, dass die im Tagschutzgebiet befindlichen Wohn- und Geschäftsgebäude so gegen Fluglärm geschützt werden müssen, dass in den sechs verkehrsreichsten Monaten eines Jahres insgesamt nur weniger als eine Überschreitung eines A-bewerteten Maximalschallpegels von 55 dB(A) auftreten darf. Diese Auslegung stimme mit der planfestgestellten Regelung (keine Überschreitung) überein. Der genannte Maximalpegel wird also nicht – wie es das MIL gedeutet hatte – rechnerisch an jedem zweiten Tag überschritten werden dürfen, sondern höchstens alle 181 Tage.


    Daneben hat das OVG festgestellt, dass die Flughafengesellschaft bislang die planfestgestellten Schutzauflagen systematisch verfehlt habe und das Ministerium verpflichtet sei, für eine rechtskonforme Umsetzung dieser Schutzauflagen durch die Flughafengesellschaft Sorge zu tragen.


    Geradezu zynisch klangen die Bemerkungen der Rechtsanwälte des MIL und der FBB in der mündlichen Verhandlung, dass man bei dem Unterschied zwischen weniger als 0,5 und 0,0 Überschreitungen des Maximalpegels doch nur noch über völlig untergeordnete Aspekte der Erreichung des Schutzzieles spreche, wenn man sich vor Augen führt, dass dieser „kleine Unterschied“ Mehraufwendungen in Höhe von ca. 200 Millionen Euro zugunsten der Betroffenen erfordern wird…


    Ich hoffe natürlich, dass die heutige GV-Sitzung auch ohne meine Anwesenheit einen erfolgreichen Verlauf hatte und bitte nochmals um Verständnis, dass ich sowohl im Sinne unserer Diedersdorfer Einwohner als auch in meiner Funktion als Vorsitzender der Schutzgemeinschaft dieses Verfahren bis zum erfolgreichen Ende begleiten musste.



    Herzliche Grüße
    Carl Ahlgrimm