Fluglärm und Partikukarinteressen-Brief an Herrn Wowereit von Diethard Günther

  • Sehr geehrter Herr Wowereit,


    wenigstens ein Detail Ihrer Rede eben im Abgeordnetenhaus:


    Schlagabtausch nach BER-Desaster - Mitrauensdebatte gegen Klaus Wowereit im Abgeordnetenhaus beendet


    Jetzt 10:34 Uhr Wowereit reitet scharfe Attacke gegen die Fluglärmgegner. Die Anwohner in Tegel hätten jahrzehntelang "solidarisch" den Fluglärm "für die ganze Stadt und die Region" ertragen und nicht ihre "Partikularinteressen in den Vordergrund gestellt".
    kann so nicht stehen bleiben!


    Ihre Aussage zeugt wieder einmal von völliger Unkenntnis in der Sachlage. Die Fluglärmwirkungen auf die Bevölkerung in den angrenzenden Gebieten der Flughäfen Tegel (TXL) und Schönefeld(SXF), respektive BER in unterschiedlichen Abschnitten auf der Zeitachse vergleichen zu wollen, ist der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen!


    Aber: Sachkenntnis trübt ja bekanntlich die Entscheidungsfreude!


    - Der Flughafen Tegel (TXL) ist aus der Not und den Zwängen des Kalten Krieges heraus eben dort gebaut worden, die Standortentscheidung zum BER dagegen ist ohne Not und Zwänge von verantwortlichen Politikern getroffen worden, die einen vermeintlich bequemen Weg zu gehen gedachten! Das genau ist der feine Unterschied zwischen alternativlos und verantwortungslos.


    - Die Anwohner in Tegel(TXL) haben jahrzehntelang den Fluglärm solidarisch für die ganze Stadt und die Region ertragen, ebenso wie auch die Anwohner in Schönefeld(SXF).
    Ihre ungeliebten Nachbarn haben, jahrzehntelang den Fluglärm solidarisch für die ganze Stadt und die Region auch mit ertragen - ohne Nachtflugverbot! Was Ihnen allerdings nicht der Rede wert ist.
    Immerhin ertrugen die SXF-Anwohner in den letzten 5 Jahren jeweils knapp die Hälfte der jährlichen Flugbewegungen, die in TXL stattfanden genauso brav oder besser solidarisch, wie die TXL-Anwohner die dortigen!



    Wovon reden Sie also eigentlich, Herr Wowereit?
    Für die SXF-Anwohner wird sich die Zahl der Flugbewegungen nach einer möglichen BER-Eröffnung etwa um den Faktor 3,5 auf den jetzigen Stand erhöhen. 2023 etwa 5 mal größer als heute und 20xx vielleicht 6,5 mal oder noch größer sein. Alles in der Folge des Wachstumswahns und der Gewinnsucht der (Luftverkehrs-)Wirtschaft zu Lasten der Anwohner.


    Gegenüber der Belastung der TXL-Anwohner, wie sie dort gegenwärtig erreicht wird, werden die SXF/BER-Anwohner eine Betastung ertragen müssen, die 2 - 4 mal größer ist!


    Wenn die jährlich 360.000 Flugbewegungen am BER erreicht sind, werden die BER-Anwohner vom Säugling bis zum Greis in 19 von 24 Stunden an jedem Tag des Jahres durchschnittlich im Abstand von 2:20 min die Immissionen aller Art von Starts und Landungen solidarisch für die Stadt und die Region - nach Ihrem Gustus - zu ertragen haben.


    Herr Wowereit, allein die Dosis macht das Gift und das sollte auch Ihnen als vereidigtem Politiker, der Schaden für das Land und seine Bewohner abzuwenden gelobt hat, langsam mal bewußt werden! - oder besser: ganz schnell!


    Es ist einfach eines Politikers in Ihrem Range unwürdig, dass Sie immer wieder aufs Neue Bevölkerungsgruppen gegeneinander stellen oder gar aufbringen, statt nach Auswegen und Lösungen zu suchen, wie die Belastung der Bevölkerung aller Regionen im Ballungsraum Berlin im Zusammenhang mit einem neuen Hauptstadtflughafen vermieden werden kann.


    - Tja, da wären dann noch die nicht in den Vordergrund gestellten Partikularinteressen der TXL-Anwohner, die Sie leider nicht näher spezifiziert haben, genau, wie auch die Gründe der vermeintlichen Zurückhaltung der Anwohner. Nun kann und will ich nicht darüber orakeln, was sie selbst möglicherweise aus Selbstschutz-Gründen nicht näher erklärt haben.


    Aufzeigen ließe sich jedoch schon, was man für die BER-Anwohner als Partikularinteressen verstehen könnte, wenn man denn schon Flughafen-Anwohner von Seiten der Politik als gesellschaftliche Minderheit denunzieren möchte.


    Welche Interessen könnten BER-Anwohner wohl haben, die in den Umlandgemeinden und -bezirken mit gartenstädtischem und auch dörflichem Charakter leben?


    1.) Abwehr der Gefährdung und Beeinträchtigung ihrer Gesundheit durch Lärm-, Feinstaub- und Schadstoff-Einwirkungen auf ihre Personen infolge des exorbitant hohen Luftverkehrsaufkommens an diesem Standort, inmitten dicht besiedelter Wohngebiete. Abwehr letaler Dosen der o.g. Immissionen aufgrund langzeitlicher Einwirkungen auf ihre Personen (s.a. UBA). Abwehr des Verzichts auf Nachtruhe.
    2.) Abwehr der entschädigungslosen Enteignung von Eigentum an Grund, Boden und Immobilien. Abwehr des Verzichtenmüssens auf Nutzung von Außenwohnbereichen aufgrund der o.g. massiven Immissionen des Flugverkehrs in diesen ungeschützten Bereichen.
    3.) Abwehr des massiven Verlusts an Lebensqualität aufgrund des Zwangsaufenthalts in Wohnräumen von mehr oder weniger gut schallisolierten Wohngebäuden. Abwehr des Verlusts an sozialer Kommunikation im Außenraum und in ungeschützten öffentlichen Bereichen während gewöhnlicher und alltäglicher Handlungen.
    4.) Abwehr dessen, alles im eigenen Garten Gewachsene, wie Obst, Gemüse, Kräuter u.a.m. wegen der Ekel- und Schadstoffbelastungen durch die Flugverkehrsimmissionen nicht mehr verzehren zu können.
    5.) Abwehr dessen, lebenslang als unbescholtenes und eigentlich nach dem Grundgesetz gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in die Rolle des Opfers nach den Punkten 1. bis 4. von der Politik eingeteilt zu werden und dort ohne Gegenwehr verharren zu sollen.


    Schaut man sich diese Interessenlagen genau an, so stellt man fest, dass es Interessen sind, die alle Bundesbürger u.a. in vergleichbaren Wohnlagen gemeinsam haben dürften.


    Insofern stelle ich es Ihnen, Herr Wowereit anheim, selbst zu entscheiden, ob es sich hier um Partikularinteressen handelt und inwieweit sie mit den möglichen Partikularinteressen der TXL-Anwohner vergleichbar oder identisch wären und wo Sie sie lieber gemäß Ihres Ranking-Verfahrens sehen würden, im Vorder- oder Hintergrund.


    Schaut man allerdings nochmals genauer hin, so sind unverkennbar Interessenslagen der BER-Anwohner dabei, die allen Bundesbürgen gemeinsam und, ganz wichtig! vom Grundgesetz her geschützt sind.
    Wenn Sie also von den BER-Anwohnern erwarten, respektive fordern, Ihre vermeintlichen Partikularinteressen, die nach GG gar keine sein können, nicht in den Vordergrund zu stellen, so müssen Sie sich schon folgerichtig auch fragen lassen, ob Sie sich mit dieser Forderung dann noch im Rahmen des Grundgesetzes bewegen!


    Herr Wowereit, gerade hatten Sie in Ihrer Rede wiederholt beteuert, vor der Verantwortung nicht davon laufen zu wollen, sondern sich ihr zu stellen. Mit dem absurden Theater, was Sie gerade aufführen und in der Vergangenheit aufgeführt haben, stehen Sie der Verantwortung auf ihrer Suche nach einem Träger allerdings direkt im Wege!


    Ich wünsche Ihnen bis Samstag viel Erfolg beim Gewinn neuer Einsichten und der Region Berlin - Brandenburg am Samstag eine echte Erfolgsgeschichte: Erklären Sie Ihren Rücktritt vom Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin.


    Mit freundlichen Grüßen
    D. Günther
    Gründungsmitglied der Lärmwehr Berlin-Brandenburg